Nutzung von Big Data und KI zur Identifizierung von künftigen Biotechmarktführern
Das Börsenjahr 2023 zählt zweifelsohne zu den schwierigeren innerhalb der 30 Jahre seit der Gründung von BB Biotech. Auf den diesjährigen BB Biotech-Events im November in der Schweiz, in Deutschland und Italien erläuterte Dr. Daniel Koller, Head Investment Management Team, die nach seiner Einschätzung vielfältigen Gründe für die teilweise kräftigen Kursverluste der meisten Biotechaktien. Dass die meisten Generalisten-Investoren zurzeit aussen vor bleiben, ist laut Daniel Koller vor allem auf die hohen Zinsen zurückzuführen. Das gelte vor allem für die noch nicht profitablen Nebenwerte, bei denen angesichts der gestiegenen Inflation der Unternehmenswert deutlich nach unten diskontiert werde.
Hoher Innovationsgrad, niedrige Bewertungen
Im Gegensatz dazu ist die fundamentale Verfassung der Biotechbranche weiter positiv. Die Zahl der zugelassenen Arzneien wird auch 2023 die 50er-Schwelle überschreiten und damit den Durchschnittswert 51 aus dem Zeitraum 2017 bis 2021 erreichen. 29% davon entfallen auf Biotechfirmen. Zehn Jahre zuvor waren es noch 11%. Zugleich steht die Pharmabranche in den nächsten Jahren vor einer neuen Phase von Patentabläufen. Koller erwartet vor diesem Hintergrund, dass die Zahl der strategischen Deals mit Biotechfirmen – über Produkteinlizenzierungen oder in Form von Akquisitionen – im nächsten Jahr wieder deutlich steigen wird.
Nach den teilweise kräftigen Kursabschlägen sind die meisten Small und Mid Caps unter den Biotechs sehr niedrig bewertet. Erfolgsentscheidend ist jedoch, dass diese im aktuellen Zinsumfeld längerfristig ausreichend finanziert sind, um die Wirksamkeitsstudien ihrer ersten Produkte finanziell stemmen zu können. Bei BB Biotech sind 80% aller Portfolioinvestitionen in diesem Sinne finanziell abgesichert, ein Drittel aller Unternehmen schreibt bereits schwarze Zahlen.
Wachstumsstarke Schwergewichte als Portfolioanker
Dem derzeitigen Marktumfeld entsprechend hat BB Biotech seine Anlagestrategie leicht angepasst. In der Praxis bedeutet das, dass einzelne Kernpositionen auf ihrer Reise zu einem profitablen Wachstumsunternehmen nach ihrem Break-even länger im Portfolio höher gewichtet bleiben. Als Beispiel erläuterte Daniel Koller die Investmentstrategie bei Moderna. Das US-Unternehmen rückte während der Coronapandemie in den Blickpunkt der Weltöffentlichkeit, als es sich mit einem COVID-19-Impfstoff als Pionier in der Entwicklung einer neuen aus Boten-RNA bestehenden Wirkstoffklasse etablierte.
Seit dem ersten Investment im Jahr 2018 hatte BB Biotech die Position bei Moderna bis 2021 kontinuierlich aufgestockt, bis sie die mit Abstand grösste Position bildete. Als die Moderna-Aktie Höchstkurse verzeichnete und die Milliardenumsätze des Impfstoffs Spikevax in der Bewertung eingepreist waren, wurde ein Grossteil der Position veräussert. Dieses Jahr stockte BB Biotech den Anteil von Moderna wieder auf, da das Unternehmen angesichts der langfristigen Wachstumsperspektiven wieder attraktiv bewertet ist. Die mRNA-Pipeline umfasst über zehn Produktkandidaten für ein breites Spektrum an Krankheitsgebieten. Über die gesamte Haltedauer hat die Beteiligung an Moderna BB Biotech eine relative jährliche Rendite von 85% generiert.
Künstliche Intelligenz stützt den Investmentprozess
Moderna zählt damit ebenso wie Actelion, Gilead Sciences, Celgene oder Vertex Pharma zu den herausragenden Erfolgsgeschichten im Portfolio von BB Biotech. Um auch in Zukunft die richtige Auswahl für die 30 bis 35 Portfoliounternehmen zu treffen, ist es notwendig, die Vielzahl an Informationen zeitnah aus dem mittlerweile auf mehr als 8800 Unternehmen angewachsenen Anlageuniversum auszuwerten. Künstliche Intelligenz (KI) spielt hier eine Schlüsselrolle. Die Arzneimittelentwicklung produziert eine wachsende Datenmenge. Durch automatisierte Algorithmen lassen sich diese viel schneller und effizienter auswerten als mit herkömmlichen Verfahren.
Um sich das Potenzial der KI im Investmentprozess zunutze zu machen, beschäftigt BB Biotech ein Data Scientist Team bestehend aus Samuel Croset, Olivia Woolley und Can Buldun. Den Teilnehmern der BB Biotech-Events erläuterten diese Datenwissenschaftler, wie BB Biotech mit dem Projekt BioCarta einen Datenpool aus Analysesoftware, Big-Data-Anwendungen und Hardware aufgebaut hat. Eigene Datenmaterialien werden dabei mit öffentlich zugänglichen Quellen verschmolzen. Künstliche Intelligenz soll mithilfe von Algorithmen diese Daten synthetisieren und damit für das Portfoliomanagement das Verständnis der medizinischen Landschaft in einzelnen Krankheitsfeldern vertiefen. Eine zentrale Rolle spielt die Analyse der klinischen Daten. In der Medikamentenentwicklung stammen mehr als 60% aller Datensätze aus den klinischen Studien. In die Datenanalyse fliessen unterschiedlichste Informationsquellen ein. Der Input aus dem eigenen internationalen Netzwerk von Experten und wissenschaftliche Literatur zählen ebenso dazu wie Nachrichten und Studienberichte und das Broker Research.
Ein Datenpool, vier Themenfelder
Bei BioCarta setzt sich die Informationsbeschaffung aus vier Säulen zusammen. Das Segment Dokumente enthält öffentliche Informationsquellen mit hoher Exklusivität. Dazu zählen Datenbanken zu Krankheitsfeldern, zahlungspflichtige wissenschaftliche Publikationen und Transkripte von Experten-Meetings. Über GPT-4, ein multimodales Sprachmodell von OpenAI, lassen sich damit Texte generieren. Im Segment Therapeutika erfasst sind alle verfügbaren Daten zum Wettbewerbsumfeld bei zugelassenen und gerade entwickelten Therapien in einzelnen Indikationen. Damit kann etwa in der Neurologie ausgewertet werden, in welchen Indikationen es die meisten zugelassenen Arzneien und laufenden klinischen Studien gibt, in welchen Entwicklungsstadien sich wie viele neuartige therapeutische Ansätze befinden und welches kommerzielle Potenzial sich für neue Produkte ergibt.
Die patientenorientierte Datenerfassung bildet die grösste Herausforderung für einen umfassenden Datenpool. Hier geht es darum, geeignete Patientenpopulationen für klinische Studien und deren Zielmoleküle zu identifizieren. In der Onkologie fliesst hier beispielsweise die Krebsepidemiologie für spezifische Genmutationen anhand der Datenauswertung aller verfügbaren Sequenzierungen ein. Über alle Krankheitsfelder geht es darum zu ermitteln, welche Patientengruppen bei einzelnen Produkten nach einem bestimmten Zeitraum Resistenzen gebildet haben. Die meisten der hierfür verfügbaren Patientendaten sind bislang in den USA verfügbar. In den privaten US-Versicherungen und den staatlichen Fürsorgeprogrammen Medicaid und Medicare sind die Daten vor mehr als 30 Millionen Personen, anonymisiert, erfasst. Die mit Data Science und KI angereicherten biomedizinischen Finanzdaten bilden die vierte Säule. Dieser Prozess steht noch am Anfang. Langfristiges Ziel ist es, bis 2030 mit KI im Rahmen des Investmentprozesses personalisierte KI-Analysen durchführen zu können.
Klar ist bereits jetzt: Künstliche Intelligenz spielt in Zukunft nicht nur für die Medikamentenentwickler eine wichtige Rolle, sondern auch für den Anlageprozess von Investoren, um «First to Market» zu sein und gegenüber Wettbewerbern einen Schritt voraus zu sein. In diesem Sinne wird BB Biotech die eigenen Bewertungsmodelle mithilfe von KI-Tools immer weiter verfeinern.